Was ist eine Deflation?
von Alexander Surminski, am Dienstag, 5.5.2020
Eine Deflation ist von fallenden Preisen und einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale gekennzeichnet. Dabei sinken die Gewinne von Unternehmen, während die Kosten aufgrund bestehender Verträge weitgehend konstant bleiben. Um Kosten zu senken und auf die sinkenden Absätze zu reagieren, setzen Unternehmen Arbeitskräfte frei. Folglich steigt die Arbeitslosigkeit. Eine Deflation wird häufig mit einer tiefen Wirtschaftskrise gleichgesetzt. Tatsächlich ist die Weltwirtschaftskrise 1929 das meistgenannte Beispiel für eine Deflation. Jedoch muss eine Deflation nicht immer mit einer tiefen Krise einhergehen: In den 1990er-Jahren wurde auch Japan eine Deflation attestiert. Obwohl das Wachstum in Japan bis heute niedrig ist, ist von einer Krise wenig zu spüren.[1]
Laut Volkswirten ist eine Deflation durch die fehlende Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen gekennzeichnet. Während sinkende Preise in Folge steigender Effizienz die Nachfrage zusätzlich stimulieren und einen positiven Effekt auf das Gemeinwesen haben, ergibt sich bei sinkenden Preisen aufgrund fehlender Nachfrage eine Abwärtsspirale: Da Produkte und Dienstleistungen keinen Absatz finden, investieren Unternehmen nicht mehr. Dieser fehlende Stimulus durch Investitionen, die den Geldkreislauf anschieben, führt dazu, dass die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen noch stärker sinkt. Am Ende werden Waren und Dienstleistungen immer günstiger. Die Abwärtsspirale verstärkt auch eine steigende Arbeitslosigkeit, da diese mit geringeren Einkommen und wachsender wirtschaftlicher Unsicherheit einhergeht.[2]
Was ist der Unterschied zwischen Deflation und Inflation?
Während die Deflation mit sinkenden Preisen einhergeht, ist die Inflation durch steigende Preise gekennzeichnet. In einer Deflation steigt die Kaufkraft, in der Inflation sinkt sie. Das lässt sich am einfachsten anhand eines Beispiels erklären: Nehmen wir einmal an, wir haben 1.000 Euro auf dem Konto. Steigen die Preise stark an, können wir uns von diesem Geld weniger kaufen. Aus diesem Grund geben wir unser Geld womöglich schneller aus. Dies befeuert wiederum die Nachfrage und lässt die Preise zusätzlich steigen. Wenn die Preise dagegen wie in einer Deflation fallen, könnten wir geneigt sein, Käufe zurückzustellen. In der Hoffnung, dass wir später mehr für unser Geld bekommen, entziehen wir dem Markt Nachfrage und bestärken so die Tendenz zu fallenden Preisen.[3]
Hier noch einmal typische Merkmale von Inflation und Deflation im Überblick. Achtung! Es müssen nicht alle Merkmale auftreten.
Inflation:
- Nachfrage größer als das Angebot
- Steigende Löhne und Gehälter
- Vollbeschäftigung und Fachkräftemangel
- Preise für Grund- und Rohstoffe (z.B. Öl) steigen à Importierte Inflation
Deflation:
- Nachfrage bleibt hinter dem Angebot zurück
- Keine Lohnsteigerung, wachsende Arbeitslosigkeit
- Zukunftsangst und steigende Gefahr von Unternehmenspleiten
- Preise für Grund- und Rohstoffe fallen aufgrund des Überangebots
Sowohl bei der Inflation als auch bei der Deflation kommt es sowohl auf das Ausmaß, als auch auf die Dauer an. Sinken oder steigen die Preise in einem Jahr um maximal fünf Prozent, geht die Lehrmeinung davon aus, dass sich die Folgen für die Wirtschaft in Grenzen halten. Ebenso, wenn Inflation oder Deflation nur für eine bestimmte Zeit von Dauer sind. Gefährlich wird es, wenn Inflation oder Deflation sich selbst verstärken und sich die Preise innerhalb eines Jahres um dreißig Prozent verändern.[4]
Was ist schlimmer? Inflation oder Deflation?
Wenn Inflation oder Deflation außer Kontrolle geraten sind, ist beides mit großen Verwerfungen verbunden. Bis zu Preisabweichungen von fünf Prozent jährlich gilt die Inflation aber als weniger schlimm. Wieso? Die Inflation sorgt dafür, dass Verbraucher mehr konsumieren und Unternehmen mehr investieren. Dies treibt die Wirtschaft an. Die Deflation ist von Konsumzurückhaltung und Investitionszurückhaltung geprägt. Unternehmen geraten in existenzielle Sorgen. Dies sind die schlimmeren Folgen für die Wirtschaft.
Ist Deflation gut oder schlecht?
Dass eine moderate Deflation schlechter ist als eine moderate Inflation, haben wir oben geklärt. Trotzdem könnte man naiv gedacht auf die Idee kommen, dass eine Deflation an sich nichts Schlechtes sei. Immerhin sorgt sie für sinkende Preise. Anhänger moderner Wirtschaftstheorien, welche dem unbändigen Wachstum abgeschworen haben, treiben diesen Gedanken auf die Spitze. Deren Meinung nach ist eine Deflation angesichts der technologischen Revolution und der Digitalisierung folgerichtig. Wirtschaftswissenschaftler Amin Toufani von der Singularity Universität im US-Bundestaat Kalifornien argumentiert beispielsweise, dass heute viele Güter und Dienstleistungen kostenlos seien, die früher Geld gekostet hätten. Diese würden aufgrund der Erhebung der Preisentwicklung aber nicht voll erfasst.
Weitere technische Errungenschaften, wie autonom fahrende Autos, würde die deflationären Tendenzen noch weiter verstärken, da diese neuen Fahrzeuge sicherer sein werden, als von Menschen gesteuerte Autos. Toufani verweist darauf, dass die Schäden von Verkehrsunfällen rund drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachten. Dieses Wachstum würde künftig wegfallen, ohne dass Menschen ihm nachtrauern würden. Daher müsste die Idee vom Wachstum um jeden Preis ad acta gelegt und die Annahme von der schlechten Deflation überdacht werden.[5]
Aus diesem Grund unterscheiden Forscher wie Professor Philipp Bagus von der Universität Rey Jian Carlos in Madrid zwischen verschiedenen Ursachen für Deflation. Unschädlich seien demnach Wachstumsdeflation, also sinkende Preise im Zuge von Fortschritt und Deflation wegen erhöhter Geldnachfrage. Problematisch aber nicht zu vermeiden sei demnach die Kreditdeflation. Diese tritt in Folge von Krisen auf und setzt voraus, dass zuvor eine lange Phase der Kreditexpansion stattgefunden hat. Eine Kreditdeflation ist also häufig die Folge von platzenden Spekulationsblasen. Volkswirte wie Bagus schreiben aber selbst der Kreditdeflation eine gute Eigenschaft zu, da diese Verzerrungen der Märkte im Zuge von Fehlinvestitionen korrigiere. Aus diesem Grund halten Volkswirte wie Bagus auch wenig von Interventionen von Notenbanken, welche die Märkte bei deflationären Tendenzen mit Kapital fluten. Diese würden Fehlinvestitionen nur künstlich aufrechterhalten und das Leid einer Deflation verlängern.[6]
Obwohl vor allem während ökonomischer Krisen die Furcht vor einer Deflation umgeht, lohnt es sich doch, das Thema differenziert zu betrachten. Neben der Deflation in Folge des technologischen Fortschritts können deflationäre Schocks auch dabei helfen, Marktexzesse zu korrigieren. In der Praxis gehen mit solchen Schocks allerdings zahlreiche negative Begleiterscheinungen, wie Firmenpleiten oder Arbeitslosigkeit einher, weswegen sich die Ansicht durchgesetzt hat, die Deflation aktiv zu bekämpfen. Dies war beispielsweise während der Finanzkrise der Jahre 2007 / 2008 der Fall und auch während der Corona-Krise des Jahres 2020.
Wie wird Deflation gemessen?
Wie auch die Inflation, wird auch die Deflation anhand von Verbraucherpreisindizes gemessen. In Deutschland bildet der Verbraucherpreisindex die Entwicklung von zwölf Gruppen ab. Mit dabei Lebensmittel, Tabakwaren, Bildung, Gaststätten, aber auch Möbel, Gesundheit, Telekommunikation und Mobilität. So soll die Teuerung anhand eines durchschnittlichen Warenkorbes ermittelt werden. Konsumenten, die in einem Teilbereich stärker Produkte oder Dienstleistungen nachfragen, können individuell eine andere Erfahrung von Teuerung haben.[7]
Bestandteil |
1995 |
2000 |
2005 |
2010 |
01 Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke |
13,1 % |
10,3 % |
10,4 % |
10,3 % |
02 Alkoholische Getränke und Tabakwaren |
4,2 % |
3,7 % |
3,9 % |
3,8 % |
03 Bekleidung und Schuhe |
6,9 % |
5,5 % |
4,9 % |
4,5 % |
04 Wohnung, Wasser, Gas u. a. Brennstoffe |
27,5 % |
30,2 % |
30,8 % |
31,7 % |
05 Möbel, Leuchten, Geräte u. a. Haushaltszubehör |
7,1 % |
6,9 % |
5,6 % |
5,0 % |
06 Gesundheitspflege |
3,4 % |
3,5 % |
4,0 % |
4,4 % |
07 Verkehr |
13,9 % |
13,9 % |
13,2 % |
13,5 % |
08 Nachrichtenübermittlung |
2,3 % |
2,5 % |
3,1 % |
3,0 % |
09 Freizeit, Unterhaltung und Kultur |
10,4 % |
11,1 % |
11,6 % |
11,5 % |
10 Bildungswesen |
0,7 % |
0,7 % |
0,7 % |
0,9 % |
11 Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen |
4,6 % |
4,7 % |
4,4 % |
4,5 % |
12 Andere Waren und Dienstleistungen |
6,1 % |
7,0 % |
7,4 % |
7,0 % |
Zusammensetzung des Verbraucherpreisindizes inklusive Gewichtungen. Quelle: Statistisches Bundesamt.
Aus diesem Grund regt sich bereits seit vielen Jahren Kritik am Verbraucherpreisindex. Dieser würde Haushalte mit guten Einkommen exakter repräsentieren und einkommensschwächere Haushalte weniger gut. Vor allem Güter des täglichen Bedarfs, wie Mieten oder auch Heizung, fallen bei einkommensschwächeren Gruppen stärker ins Gewicht als diese im Verbraucherpreisindex repräsentiert sind. Auch fehlen bei europäischen Verbraucherpreisindizes die Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum – in den USA werden diese dagegen mit 24 Prozent stark berücksichtigt. Aus diesen Gründen gehen Kritiker davon aus, dass die reale Inflation höher liegt, als vom Verbraucherpreisindex gemessen.[8] Folglich sind auch Meldungen über deflationäre Tendenzen mit Vorsicht zu genießen, wenn die Deflation nur gering ausfällt. Rutscht der Verbraucherpreisindex nur leicht in den negativen Bereich, ist das zwar ein Warnsignal, aufgrund der statistischen Ungenauigkeit aber noch kein Grund zur Panik.
Was sind die Gefahren einer Deflation?
Eine Deflation tritt häufig im Zuge von Krisen auf. Während der Finanzkrise sorgten Kreditausfälle für eine Finanzierungsklemme. Der Kapitalmarkt kam zum Erliegen und Unternehmen misstrauten einander. Diese Verunsicherung wirkte sich auch auf die Produktion aus. Anleihen-, Aktien- und Rohstoffmärkte stürzten ab und sorgen zeitweise für deflationäre Tendenzen. Während der Corona-Krise legte die weltweite Pandemie Lieferketten still und sorgte weltweit für einen Shutdown der wirtschaftlichen Aktivität. Dadurch war sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite vom Schock betroffen. Die Preise tendierten als Folge dessen ebenfalls in den negativen Bereich. Diese kurzfristigen Effekte sind noch keine große Gefahr, deuten aber auf drohende Gefahren hin.
Wenn die geringe wirtschaftliche Aktivität für mehr Arbeitslosigkeit sorgt, hemmt dies den Konsum und die Preise bekommen ebenfalls keine Impulse mehr. Dies kann der Anfang einer langen deflationären Phase sein, in der Unternehmen Investitionen und Konsumenten Anschaffungen in Erwartung niedrigerer Preise zurückstellen. Erst wenn sich eine Deflation derart verselbständigt hat, ist sie wirklich gefährlich.[9]
Wie wird die Deflation von Regierungen und Notenbanken bekämpft?
Damit sich eine Deflation nicht verselbständigt und verstärkt, haben Regierungen und Notenbanken in den vergangenen Jahrzehnten ihr Arsenal an möglichen Maßnahmen immer mehr ausgebaut. Damit deflationäre Schocks den Arbeitsmarkt nicht erreichen, haben Regierungen weltweit Kurzarbeitergeld eingeführt. Dieses garantiert Unternehmen ohne Aufträge, Angestellte in Kurzarbeit schicken zu können – der Staat gibt in dieser Zeit bis zu einhundert Prozent des Lohns. In Deutschland sind es sechzig bis 67 Prozent des letzten Nettobetrags. So soll die Schockphase der Krise ohne bedeutende Arbeitsplatzverluste überwunden werden. Parallel dazu können staatliche Förderbanken, wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), an Unternehmen Kredite vergeben. Diese können staatlich besichert sein und so günstige Konditionen bieten.
Um die Kreditvergabe anzuschieben, können Notenbanken, wie die Europäische Zentralbank (EZB) oder die US-Notenbank Fed, ihren Leitzins senken. Der Leitzins ist sozusagen der Preis für Kredite. Banken und Sparkassen können dann zu günstigeren Konditionen Kapital bei der Notenbank aufnehmen und an Unternehmen und Verbraucher weitergeben. Die Theorie besagt, dass die Abwärtsspirale einer Deflation so durchbrochen werden kann. Bereits während der großen Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 hatten die Notenbanken die Zinsen deutlich gesenkt, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Gepaart mit Maßnahmen wie Notkrediten, Verstaatlichungen von Unternehmen oder Kurzarbeitergeld, kann die Inflation bekämpft werden.
Und was geschieht nach einer Krise?
Eine Krise wie die Banken- oder auch die Coronakrise ist nach einiger Zeit vorbei. Die Krisenursachen verflüchtigen sich und die Unternehmen können auch dank der unterstützenden Geldpolitik und Soforthilfen wieder langsam zur Normalität übergehen. Damit die Wirtschaft nach einer Krise wieder in die Spur kommt, legen Staaten häufig Konjunktur- und Investitionsprogramme auf. Beispielsweise können niedrigere Steuern Unternehmen entlasten und Investitionsanreize schaffen. Staatliche Ausgabenprogramme können ebenfalls dafür sorgen, dass die Wirtschaft in Fahrt kommt. Beispielsweise, indem der Staat in Infrastruktur investiert. Neben Straßen und Brücken bietet sich in diesem Zusammenhang auch der Netzausbau an, um bessere Rahmenbedingungen für neue Technologie zu schaffen. Derartige Investitionen sorgen kurzfristig für Aufträge für Unternehmen und schieben die Wirtschaft an und stärken langfristig den Wirtschaftsstandort.
Kann eine Deflation auch Vorteile haben?
Neben dem bereits erwähnten Vorteil aus Sicht der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, dass eine Deflation in Krisen zu einer Bereinigung von Marktexzessen führen kann, gibt es noch weitere Vorteile. Diese liegen in erster Linie in der gestiegenen Kaufkraft begründet. Beispielsweise gehen Beobachter davon aus, dass der Wert Darlehen in Folge einer Deflation steigt.[10] Das ist zwar auf den ersten Blick richtig, doch dienen Darlehen in der Regel Investitionen. Inmitten einer Deflation ist das Umfeld für Investitionen schlecht, da die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen sinkt. Es kommt daher entschieden darauf an, ob sich eine Investition auch trotz der Deflation auszahlt. In diesem Fall profitieren Kreditnehmer von Kreditbedingungen – schließlich senken Notenbanken in einer solchen Marktphase häufig die Zinsen und Staaten schieben die Kreditvergabe mit Sicherheiten an.
Profiteure einer Deflation sind auch alle Empfänger von Leistungen, wie beispielsweise Rentner oder Angestellte. Die sinkende Preisdynamik macht sich in erster Linie bei Energiekosten bemerkbar. Offensichtlicher Vorteil einer Deflation sind daher meist die Preise an den Tankstellen und auch die Nebenkosten des Wohnens. Gerade für Bezieher geringer Einkommen kann eine Deflation Entlastung bringen. Auch die Industrie kann von niedrigen Energiekosten profitieren, da diese häufig einen großen Anteil an Produktionskosten haben. Doch auch hier haben sinkende Preise eine Kehrseite: Wenn Unternehmen geringere Kosten haben und zugleich am Markt die Nachfrage gering ist, kann das zu einem Kampf um Marktanteile führen, der wiederum die Preise drückt und deflationäre Tendenzen verstärkt.
Sind Schulden gut in einer Deflation?
Diese Frage ist pauschal nicht zu beantworten. Wer einen bereits laufenden Kredit bedienen muss und über ein sicheres Einkommen verfügt, der hat aufgrund des Kaufkraftgewinns womöglich mehr Möglichkeiten, seinen Kredit zu tilgen und Zinsen zu bezahlen. Wer aber um seinen Arbeitsplatz bangen muss oder bereits Einkommenseinbußen hat, für den sind Schulden in einer Deflation nicht gut. Wenn es darum geht, ob man einen neuen Kredit in der Deflation aufnimmt oder nicht, kommt es auf die Art der Investition an: Ist eine Investition langfristig und lukrativ, spricht nichts dagegen, die günstigen Kreditbedingungen zu nutzen. In dem Fall sind Schulden in einer Deflation von Vorteil.
Was passiert mit Sachwerten in einer Deflation?
In einer Deflation sinken die Preise. Dies gilt auch für Sachwerte: Immobilien, Edelmetalle, Kunst oder auch Aktien werden in einer Deflation kurzzeitig weniger wert. Vor allem die Aktienkurse sind während der vergangenen deflationären Schocks deutlich gesunken. Die Finanzkrise und auch die Corona-Krise sorgten dafür, dass wichtige Aktienindizes wie der DAX oder auch der US-amerikanische S&P 500 teils Rekordverluste hinnehmen mussten. Auch Immobilien erleiden kurzfristig einen Preisschock. Die zunehmende wirtschaftliche Unsicherheit senkt die Nachfrage und dämpft die Preise. Ebenso wie auch bei Aktien ist dieser Effekt aber nur temporär.
Zwar geht die Theorie davon aus, dass Immobilien während einer Deflation im Preis sinken, während die Tilgungsraten für lange Zeit konstant bleiben, was nach einem Verlustgeschäft klingt, doch waren deflationäre Phasen in der Vergangenheit oft nur von kurzer Dauer. Langfristig kann Deflation sogar als Nachfrage-Impuls gesehen werden. Sofern eine Deflation nur auf eine Krise zurückzuführen ist, die einige Monate anhält, überwiegen bei Sachwerten also eher die Chancen: Aktien können günstig gekauft und Immobilien ohne große Konkurrenz womöglich gar mit Abschlag erworben werden. Zwar kann es je nach persönlicher Situation schwerer sein, einen Kredit zu erhalten, doch kann das für Menschen mit gesicherten Einkommen auch ein Vorteil sein.[11]
Dass es rund um Sachwerte während einer Deflation keine pauschalen Antworten gibt, zeigt auch die Entwicklung des Goldpreises. Wie alle Sachwerte ist dieser während der Finanz- und auch der Corona-Krise zunächst gefallen. Im Zuge der staatlichen Stützungsmaßnahmen und der Geldspritzen der Notenbanken sprang der Goldpreis aber wieder an und hielt sich während den Krisen stabil. Dieser Trend hielt nach der Finanzkrise sogar an: Der Goldpreis erreichte drei Jahre nach der Krise ein Allzeithoch. Auch für die Zeit nach der Corona-Krise erwarten einige Marktbeobachter eine vergleichbare Entwicklung.[12] Sachwerte leiden also zwar zunächst einer Deflation, können nach deren Ende aber unter Umständen auch überproportional profitieren.
Gibt es Aktien, die in einer Deflation interessant sein könnten?
Wenn eine Deflation im Anmarsch ist, geht es für Aktien meist schnell nach unten. Doch an der Börse gelten zwei Grundsätze: Auf dem Parkett wird die Zukunft gehandelt und die Kurse übertreiben. Wer also mit Weitblick investieren kann, kann während einer Deflation in vielversprechende Aktien langfristig investieren. Ganz grundlegend gelten in einer Deflation dieselben Anforderungen an Aktien wie während einer Inflation: Unternehmen sollten möglicher international aufgestellt und gering verschuldet sein. Auch ein möglichst großer freier Cashflow ist von Vorteil. Cashflow meint das Kapital, das dem Unternehmen nach Investitionen noch zur Verfügung steht. Wie wir in den Zeilen zuvor bereits gelernt haben, ist „Cash“ während einer Deflation „King“. Barmittel werden tendenziell immer mehr wert. Unternehmen, mit regelmäßigen Erträgen, können davon also profitieren.[13]
Typische Branchen mit regelmäßigen Cashflows sind beispielsweise Versorger. Dazu zählen Energieversorger aber auch Telekommunikationsanbieter. Erstere profitieren in einer Deflation von sinkenden Energiekosten und Abschlagszahlungen von Kunden, die meist erst nachträglich angepasst werden. Letztere profitieren ebenfalls von konstanten Zahlungen ihrer Kunden und wie in der Corona-Krise auch von der gestiegenen Nutzung. Hinzu kommt bei Telekommunikationsunternehmen, dass deren Netzinfrastruktur langfristig als wachstumsrelevant gilt. Da Staaten während einer Deflation dazu neigen, Ausgabenprogramme aufzulegen, könnten Telekommunikationsanbieter doppelt profitieren: Einerseits erhalten sie regelmäßige Zahlungen ihrer Kunden und haben eine Produkt, das nur schwer verzichtbar ist und andererseits könnte der Staat ihnen bzw. ihrer Infrastruktur mit Investitionsprogrammen unter die Arme greifen.
Ab wann befindet man sich in einer Deflation?
Dass eine Deflation wie auch eine Inflation mit Hilfe des Verbraucherpreisindex gemessen wird, haben wir weiter oben bereits thematisiert. Folglich befinden wir uns in einer Deflation, wenn der Verbraucherpreisindex fallende Preise anzeigt. Doch in der Praxis ist es so einfach nicht. Insbesondere dann, wenn eine Deflation temporär ist, ist sie meist auf einen kurzfristigen ökonomischen Schock zurückzuführen. Beispiele sind die drohenden Bankenpleiten während der Finanzkrise und das damit verbundene plötzliche Misstrauen aller Marktteilnehmer untereinander. Auch die Corona-Krise mit ihren langen Lockdowns rund um den Erdball waren so ein Schock.[14]
Derartige Schocks treten plötzlich auf. Da sich Konjunkturdaten oft auf den Vormonat beziehen, sind die genauen Auswirkungen eines ökonomischen Schocks nicht gleich zu bemessen. Man kann aber trotzdem schon vorher auf eine Deflation schließen. Dies ist der Fall, wenn die Geschäftstätigkeit in vielen Branchen unterbrochen ist und es viele Anträge auf Kurzarbeit gibt. Auch wenn in der Wirtschaft die Gefahr von Ansteckungseffekten groß ist, ist eine Deflation wahrscheinlich. Als guter Indikator für eine Deflation gelten auch die Kapitalmärkte. Wenn Aktien und auch Rohstoffe nahezu ungebremst abstürzen, herrscht ein ökonomischer Schock vor, der sich mit höchster Wahrscheinlichkeit schon bald auch in einem sinkenden Verbraucherpreisindex niederschlägt. Konjunkturdaten hinken der realen Entwicklung also immer hinterher. Das gilt auch, wenn die temporäre Deflation bereits wieder vorbei ist. An den Kapitalmärkten steigen dann schon längst wieder die Kurse, während Wirtschaftsdaten noch immer eine Krise anzeigen.
[1] https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/deflation-31555
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Deflation
[3] https://www.microtech.de/erp-wiki/inflation-deflation
[6] https://austrian-institute.org/de/blog/philipp-bagus-angst-vor-deflation/
[9] https://www.gevestor.de/details/3-problematische-konsequenzen-der-deflation-753243.html
[10] https://www.gevestor.de/details/kann-eine-deflation-die-wirtschaft-ankurbeln-568742.html