Kaufen, wenn die Kanonen donnern? Besser nicht

von Apostolos Tsiter, am Donnerstag, 11.2.2016

kanone

Am deutschen Aktienmarkt sind die Kurse im Sturzflug. Anleger lauern auf den richten Einstiegszeitpunkt. Doch „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“ klingt nur in der Theorie gut.

„Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Verkaufen, wenn die Violinen spielen.“ Wer kennt diese Börsenweisheit nicht? Der Spruch von Carl Mayer von Rothschild beschreibt die Strategie des antizyklischen Investierens: Zuzugreifen, wenn die Stimmung am Boden und die Kurse im Keller sind; verkaufen, wenn die Konjunktur gut, die Stimmung bestens und die Kurse hoch sind.

Die Idee dahinter ist, dass die breite Masse der Anleger zu einer Übertreibung neigt - sowohl nach oben, wie auch nach unten. Die Entwicklung am deutschen Aktienmarkt der vergangen Monate scheint diese Annahme zu bestätigen: Erst die rasante Rekordjagd, getrieben von der Erwartung immer weiter steigender Kurse, die den deutschen Leitindex im April 2015 auf über 12.000 Punkte springen ließ. Nun der Absturz, getrieben von der Furcht vor immer weiter fallenden Kursen. Fast 20 Prozent hat der Dax allein seit Jahresbeginn an Wert eingebüßt; gegenüber seinem Rekordstand aus dem April sind das fast 4000 Punkte weniger.

Investieren gegen den Herdentrieb

Anhänger des antizyklischen Investierens sagen: Weder der rasante Aufschwung noch die aktuelle Talfahrt sind durch die fundamentalen Daten der Unternehmen gerechtfertigt. Es sind Übertreibungen, weil Anleger nicht rational handeln. Sie folgen dem Herdentrieb, hecheln der Marktentwicklung hinterher und kommen doch immer zu spät. „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“, heißt, sich dem Herdentrieb bewusst entgegenzustellen und so dem Markt ein Schnippchen zu schlagen.

Welcher Anleger wünscht sich das nicht? Kaufen, wenn alle verkaufen, und damit auf dem Tiefstand einsteigen? Verkaufen, wenn alle kaufen, und auf dem Höchststand austeigen? In der Theorie klingt das gut. Meist hapert es jedoch an der praktischen Umsetzung.

Die Statistik der meistverkauften Werte der OnVista Bank der vergangenen 30 Tage offenbart das Dilemma. Die Liste wird angeführt von Dax-Werten: Daimler, Bayer, Volkswagen. Unter den Top 20 der meistverkauften Werte sind gleich mehrere Dax-ETFs. Die Kanonen donnern und die Anleger kaufen nicht, sie verkaufen. Machen sie es also falsch? Nicht unbedingt.

Antizyklisch investieren schmälert die Rendite

Max Schott vom Stuttgarter Vermögensverwalter Sand & Schott hat nach einem Bericht der FAZ verschiedene Einstiegsstrategien für den deutschen Aktienmarkt miteinander vergleichen. Das überraschende Ergebnis: Anleger, die gezielt auf einen Rückschlag warten und immer erst einsteigen, wenn der Markt um 20 Prozent eingebrochen war, erwirtschafteten die geringste Rendite. Das zumindest gilt für langfristig orientierte Anleger.

Wer Aktien mindestens zehn Jahre lang hielt, der erzielte im Schnitt eine deutlich höhere Rendite, wenn er das Geld auf einen Schlag in Aktien gesteckt hatte – völlig unabhängig von der jeweiligen Marktentwicklung. Wer hingegen immer erst kaufte, wenn die Kanonen donnerten, der verzichtete auf Gewinne.

Schott führt gegenüber der FAZ zwei Gründe für die unterschiedlich hohe Dividende ins Feld: Zum einen habe es vor dem Rückschlag oft eine lange Aufwärtsphase gegeben. Diese Kursgewinne fehlten den Anlegern, die auf die Rückschlag-Strategie setzten. Zum anderen brechen die Kurse zunächst oft viel tiefer ein, als Anleger vermuten. Das drücke ebenfalls die Rendite.

Wann raus? Wann rein?

Der Erfolg der antizyklischen Strategie hängt nicht allein davon ab, zu kaufen, wenn die Kanonen donnern. Entscheidend ist, zu kaufen, wenn die Kanonen am lautesten donnern, und zu verkaufen, wenn die Violinen am süßesten spielen. Doch die meisten Anleger kaufen und verkaufen zu früh bzw. zu spät.

Statt eine Strategie des antizyklischen Einstiegs zu verfolgen, empfehlen die Vermögensverwalter von Sand & Schott den systematischen Einstieg. Gemeint ist damit eine Strategie des vorsichtigen, aber kontinuierlichen Investments. Praktisch umsetzen ließe sich das mit Sparplänen, durch die monatlich Geld in Aktien fließt.

Die rasant wachsende Zahl an ETF-Sparplänen lässt zumindest vermuten, dass die Strategie des systematischen Einstiegs unter Anleger immer mehr Anhänger findet. So hat sich allein bei der OnVista Bank die Zahl der ETF-Sparplankäufe in den vergangenen zwölf Monaten verdoppelt. Auch die ETF-Statistik des das EXtra-Magazins zeigt kontinuierliches Wachstum von Sparplänen über den gesamten Markt hinweg.

Zumindest langfristig orientierte Anleger also ignorieren das Donnern der Kanonen und das Spielen der Violinen. Und sie fahren offenbar ganz gut damit.

Foto: Popova Valeriya/shutterstock.com

Themen:ETFAktienFinanzwelt

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