Blog rund um Aktien und Finanzen | onvista.de

Stammaktien oder Vorzugsaktien - Was sind diese Gattungen und worin bestehen die Unterschiede?

Geschrieben von onvista | Montag, 23.9.2019

Aktiengattungen in Deutschland

Anleger, die Aktien deutscher Unternehmen kaufen möchten, haben die Wahl zwischen verschiedenen Aktiengattungen. Stammaktien (Abkürzung: ST) sind dabei die am meisten gekaufte Aktienart. Andere Bezeichnungen für diese Aktiengattung sind Stämme, Stammpriorität, voting share, common stock oder common share. Die zweite Gattung sind sogenannte Vorzugsaktien (Abkürzung: VZ). Diese Aktien werden auch als Vorzüge, Vorrechtsaktien, Prioritätsaktien, preference share, privileged stock, priority share oder preferred stock bezeichnet.

Vor allem der deutsche Aktienmarkt kennt die Unterscheidung in diese beiden Aktienarten. International geben Aktiengesellschaften hauptsächlich klassische Aktien ohne eine Bevorzugung heraus. Eine Ausnahme bildet jedoch die Suchmaschine Google, die Aktien der Klassen A, B und C anbietet. Die Aktien unterscheiden sich vor allem durch das Stimmrecht, das bei Class A-Aktien einfach vorhanden ist, bei Class B-Aktien zehnfach und bei Class C-Aktien überhaupt nicht. Bei einer Geldanlage in Aktien sollten sich die Anleger über die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gattungen informieren und beachten, welche Auswirkungen der Kauf auf das Anlagevermögen und die Rechte der Aktionäre hat.

Geldanlage in Aktien

Nachdem Geldanlagen auf einem Sparbuch oder Tagesgeldkonto kaum noch Zinsen einbringen, hat sich Eva Müller entschlossen, einen Teil ihrer Ersparnisse in Höhe von 5.000,00 Euro in Aktien anzulegen. Nach einiger Überlegung entscheidet sie sich für die Aktien der Bayerischen Motoren Werke AG, abgekürzt BMW. Als Eva Müller die Aktien kaufen möchte, fällt ihr auf, dass es zwei verschiedene BMW-Aktien gibt:

  1. Aktie BMW ST mit der Wertpapierkennnummer (WKN) 519000
  2. Aktie BMW VZ mit der Wertpapierkennnummer (WKN) 519003

Eva Müller ist sich unsicher, welche Aktie sie kaufen soll. Neben der unterschiedlichen Bezeichnung und WKN unterscheiden sich die beiden Aktien auch in ihren Kursen. Für die klassische BMW-Aktie muss Frau Müller einen höheren Preis bezahlen als für die Aktie BMW VZ. Ein Blick in die Kurstafel der Börse zeigt außerdem, dass auch andere deutsche Aktiengesellschaften, wie Henkel, Volkswagen (VW), Metro, MAN, RWE oder Fresenius, zwei unterschiedliche Aktienarten anbieten. Bei einigen der Unternehmen ist die klassische Aktie ebenfalls teurer als die mit VZ gekennzeichneten Papiere. Es kann aber auch vorkommen, dass die VZ-Aktien einen höheren Kurs erzielen als die klassischen Aktien. Frau Müller beschließt, sich genauer über die verschiedenen Aktienarten zu erkundigen, bevor sie sich zu einem Kauf entschließt.

Warum geben Unternehmen unterschiedliche Aktienarten aus?

Wenn ein Unternehmen wächst, benötigt es Kapital. Ein Weg, frisches Geld für eine Firma zu erhalten, ist der Gang an die Börse. Dazu gibt ein Betrieb Aktien aus, die von den Anlegern gekauft werden können. Dieser Vorgang wird als Börsengang oder Emission bezeichnet. Das emittierende Unternehmen wird dadurch zu einer Aktiengesellschaft, abgekürzt AG. Bei der Ausgabe der Aktien können die Emittenten zwischen Stammaktien und Vorzugsaktien wählen. Doch warum gibt es diesen Unterschied überhaupt und wann entscheidet sich ein Unternehmen, beide Gattungen herauszugeben? Was ist der Sinn für das Unternehmen und welche Vorteile und Nachteile ergeben sich für die Anleger? Die Antwort auf diese Fragen und weitere Tipps und Hinweise zu einer Geldanlage in Aktien geben wir Ihnen in diesem Ratgeber!

Die Aufteilung der Aktien

Wenn ein Unternehmen Aktien emittiert, möchte es durch die Ausgabe der Anteilspapiere sein Eigenkapital erhöhen. Als Gegenleistung für den Kauf erhalten die Aktionäre nach dem Aktiengesetz (AktG) einige Rechte und Pflichten. Zu den Rechten können Stimmrecht und Rederecht in der Hauptversammlung gehören. In dem Fall gibt die AG Stammaktien aus. Wenn die Anteilseigner kein Stimmrecht erhalten sollen, entscheidet sich der Emittent für Vorzugsaktien. Als Ausgleich für die fehlenden Rechte erhalten die Anleger eine höhere Dividende oder andere Sonderrechte. Beide Aktienarten repräsentieren jedoch denselben Anteil an dem emittierenden Unternehmen.

Aktienart Stämme

Diese Aktienart stellt die am häufigsten gehandelte Aktie an den deutschen Börsen dar. Nach dem Aktiengesetz erhalten die Aktionäre mit dem Kauf diese Rechte:

  • Teilnahme an der Hauptversammlung
  • Stimmrecht mit einer Stimme je Aktie
  • Recht auf anteilige Dividendenzahlung
  • Bezugsrecht junger Aktien
  • Recht auf Anteil am Liquidationserlös
  • Recht auf Information
  • Recht auf Rechenschaftslegung

Gleichzeitig ist der Anleger verpflichtet, den festgelegten Kaufpreis zu zahlen, nachdem er eine gültige Kauforder abgegeben hat. Außerdem darf der Aktionär der Aktiengesellschaft keinen wissentlichen Schaden zufügen, indem er beispielsweise Gerüchte über das Unternehmen verbreitet oder Geschäfte betreibt, die der Tätigkeit der AG widersprechen. Weitere Rechte und Pflichten der Aktionäre sind in der Regel in der Satzung der Aktiengesellschaft enthalten.

Institutionelle Anleger und Großinvestoren kaufen bevorzugt die klassischen Aktien mit allen Rechten, die das Aktiengesetz ihnen zugesteht. Vor allem das Stimmrecht in der Hauptversammlung stellt einen wichtigen Grund dar, Stämme zu kaufen. Jede Aktie entspricht einer Stimme, da es in Deutschland in der Regel keine Mehrstimmrechte geben darf. Je mehr Aktien ein Aktionär besitzt, umso mehr Stimmen kann er bei wichtigen Entscheidungen abgeben. Das ist einer der Gründe, warum einige Unternehmen neben den klassischen Aktien auch stimmrechtslose Vorzüge ausgegeben.

Aktienart Vorzüge

In § 11 AktG ist geregelt, dass ein Unternehmen auch Aktien mit besonderen Vorrechten herausgeben darf. Es gibt verschiedene Gründe, warum sich eine Firma für die Emission dieser Aktien entscheidet:

  • Kapitalerhöhung trotz Aktienkurs kleiner als der Nennwert der Aktie
  • Erhalt der Stimmmehrheit, zum Beispiel bei Familienunternehmen
  • Kaufanreiz für Kleinaktionäre

Warum der Nennwert so wichtig ist

Eine Aktiengesellschaft teilt ihr Grundkapital in Aktien auf. Der Nennwert einer Aktie, also der auf dem Mantel aufgedruckte Geldbetrag, ergibt sich durch Division des Grundkapitals durch die Anzahl der ausgegebenen Aktien. Dabei muss der Nennwert mindestens 1,00 Euro betragen. Bei einer Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 100 Millionen Euro und 10 Millionen ausgegebenen Aktien beträgt der Nennwert also 10,00 Euro je Aktie (100.000.000 : 10.000.000 = 10).

Wenn eine Aktiengesellschaft frisches Kapital benötigt, darf es nach § 9 AktG nicht zu einer sogenannten Unter-Pari-Emission kommen. Das bedeutet, dass es nicht zu einer Eigenfinanzierung kommen darf, wenn der aktuelle Kurswert der Aktien unter dem Nennwert liegt. In unserem Beispiel dürfte ein Unternehmen also bei einem Kurswert von unter 10,00 Euro keine Gewinnrücklagen bilden, die stillen Reserven nicht erhöhen und keine jungen Aktien mit Stimmrecht ausgeben. Um trotzdem Kapital zu erhalten, können daher Aktien ohne Stimmrecht, dafür aber mit Sonderrechten, emittiert werden. Dabei darf der Anteil der stimmrechtslosen Aktien nach § 139 AktG jedoch nicht mehr als 50 % des Grundkapitals der Aktiengesellschaft ausmachen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass noch genügend Aktien mit Stimmrecht im Umlauf sind, um Entscheidungen treffen zu können.

Stimmmehrheit bleibt erhalten

Der Verzicht auf das Stimmrecht ist für einige Unternehmen der wichtigste Grund, um die Aktiengattung VZ herauszugeben. Die Aktien des Automobilkonzerns BMW sind dabei ein gutes Beispiel, warum eine Aktiengesellschaft Aktien ohne Stimmrecht emittiert. Die Familie Quante ist der Hauptanteilseigner des Unternehmens BMW. Die Familienmitglieder halten circa 47 % aller ausgegebenen Aktien. Die restlichen 53 % befinden sich im Streubesitz zahlreicher Anleger. Um nicht einem Großinvestor eine zu hohe Entscheidungsmöglichkeit in der Hauptversammlung zu geben und um die Stimmmehrheit der Eigentümerfamilie zu erhalten, gibt das Unternehmen daher Aktien mit der WKN 519000 mit Stimmrecht sowie Aktie mit der WKN 519003 ohne Stimmrecht aus. Beide Gattungen werden zu unterschiedlichen Kursen an der Börse gehandelt, was Kleinanleger zu ihrem Vorteil nutzen können.

Vorteile für Kleinanleger

Der Kauf stimmrechtsloser Aktien kann zu einem Vorteil für Kleinanleger führen. Wer, wie Eva Müller aus unserem Beispiel, nur kleinere Beträge zwischen 500,00 Euro und 10.000,00 Euro in Aktien anlegen möchte, ist in der Regel nicht an der Ausübung des Stimmrechts interessiert. Dazu ist die Anzahl der gekauften Aktien zu gering und die Stimme des Aktionärs würde keine Änderung der Geschäftspolitik oder der Beschlüsse auf der Hauptversammlung bedeuten. Der Anleger ist nur daran interessiert, durch Kurssteigerungen und Dividendenzahlungen einen Gewinn zu erwirtschaften. Wegen der unterschiedlichen Kurse der beiden Aktiengattungen lohnt es sich daher für einen Kleinanleger nicht, die klassischen Aktien mit Stimmrecht zu kaufen.

Dazu ein Rechenbeispiel:

  • Bei einem Kurswert der Aktie BMW ST von circa 64,50 Euro erhält die Anlegerin Eva Müller bei einem Anlagekapital von 5.000,00 Euro rund 77 Aktien.
  • Bei einem Kurswert der Aktie BMW VZ von circa 52,00 Euro erhält die Anlegerin Eva Müller bei einem Anlagekapital von 5.000,00 Euro rund 96 Aktien.

Die Rechnung geht noch weiter:

  • BMW-Stammaktien erhalten eine Dividende von 3,50 Euro. Bei einem Bestand von 77 Aktien beträgt die ausgezahlte Dividende demnach 269,50 Euro.
  • BMW-Vorzugsaktien erhalten eine Dividende von 3,52 Euro. Bei einem Bestand von 96 Aktien beträgt die ausgezahlte Dividende demnach 337,92 Euro.

Der Kauf der BMW-Vorzugsaktien führt also wegen der höheren Dividende und wegen der größeren Anzahl an Aktien zu einem größeren Gewinn für Frau Müller. Daher verzichtet sie, ebenso wie viele andere Kleinaktionäre, auf das Stimmrecht und profitiert von weiteren Vorzugsrechten, die ihr die stimmrechtslosen Aktien bieten.

Zu diesen Vorzugsrechten gehören:

  • höhere Dividende
  • Nachzahlung bei ausbleibender Dividenzahlung
  • erst Verteilung des Gewinns an die Vorzugsaktionäre, dann Verteilung des restlichen Gewinns an die Stammaktionäre
  • erhöhter Liquidationserlös bei Geschäftsauflösung

Neben diesen Vorteilen muss Frau Müller jedoch auf den aktuellen Aktienkurs achten, um nicht zu viel für die Aktien zu bezahlen.

Kursentwicklung der verschiedenen Aktiengattungen

Wegen des fehlenden Stimmrechts profitieren Vorzugsaktionäre in der Regel von einem niedrigeren Aktienkurs, wodurch sie für das eingesetzte Kapital mehr Aktien erhalten. Es kann aber auch vorkommen, dass die Aktien ohne Stimmrecht einen höheren Kurswert aufweisen als die klassischen Aktien mit Stimmrecht. Das liegt daran, dass sich an der Börse der Kurs immer nach Angebot und Nachfrage richtet. Wenn gleichzeitig viele Aktionäre beschließen, auf das Stimmrecht zu verzichten, kann der Kurs dieser Gattung stark ansteigen. Daher sollten Kleinanleger die aktuellen Aktienkurse regelmäßig beobachten und erst dann kaufen, wenn sich ein günstiger Kurs ergibt.

Unabhängig von der Kursentwicklung erhalten die Käufer von VZ-Aktien trotzdem einige Vorteile. Sie bekommen eine höhere Dividende oder eine Nachzahlung ausgezahlt, wenn in einem Jahr keine Dividende gezahlt wird. Außerdem können sie selbst bei einem Konkurs des Unternehmens mit einem höheren Anteil am Liquidationserlös rechnen, den sie vor den Stammaktionären erhalten.

Die Aktionäre sollten die Mitteilungen des Unternehmens, die ihnen zugestellt werden, aufmerksam lesen. In einigen Fällen kann es zu Sonderfällen kommen, die Auswirkungen auf den Aktienbestand und die Rendite haben.

Mögliche Sonderregelungen

Es kann dazu kommen, dass aus einer stimmrechtslosen Aktie eine klassische Aktie mit Stimmrecht wird. Das ist dann der Fall, wenn die Aktionäre in der Hauptversammlung die Umwandlung der Papiere beschließen, Aufsichtsrat und Vorstand dem Beschluss zustimmen und auch die Vorzugsaktionäre damit einverstanden sind. Dafür müssen die Vorzugsaktionäre jedoch eine Prämie zahlen, da ihre Aktien nach der Umwandlung in der Regel mehr wert sind. Bei einer wandelbaren VZ-Aktie wird bei der Emission der Papiere bereits der Zeitpunkt bestimmt, zu dem die Umwandlung erfolgen soll.

Ein anderer Grund für eine Umwandlung sind nicht gezahlte Dividenden. Wenn das Unternehmen wegen eines schlechten Geschäftsergebnisses beschließt, in einem Jahr keine Dividende zu zahlen oder zumindest den Aufschlag auf die Dividende auszusetzen, erhalten die Vorzugsaktionäre im darauffolgenden Jahr eine Nachzahlung. Falls die Nachzahlung nicht erfolgt, wandelt sich die Aktie gemäß § 140 AktG so lange in eine Stimmrechtsaktie um, bis alle entgangenen Zahlungen geleistet wurden. Dadurch erhalten die Vorzugsaktionäre auch in Verlustjahren einen Dividendenanspruch, der Stammaktionären nicht zusteht.